NIFFF 2024: EAT THE RICH – ELITEN AUF DEM GRILL

Das Neuchâtel International Fantastic Film Festival (NIFFF) kündigt seine Retrospektive EAT THE RICH an, die sich der Repräsentation von Eliten im Genrekino widmet. Das Sonderprogramm begleitet die 23. Ausgabe des Festivals (5. – 13. Juli) und unternimmt anhand von vielfältigen Blickwinkeln eine geografische und zeitliche Reise durch ein Jahrhundert des fantastischen Films, die dazu dienen soll, die Entwicklung eines komplexen, intersektionellen Themas besser zu verstehen. Das Programm umfasst rund 20 Spielfilme und wird ergänzt durch eine Podiumsdiskussion.

UNGERECHTIGKEITEN, PRIVILEGIEN UND DEKADENZ

„Wenn das Volk nichts mehr zu essen hat, wird es die Reichen essen“. Dieser Satz, der Jean-Jacques Rousseau zugeschrieben wird, und der im Laufe der Zeit zum Symbol für den Unmut der Arbeiterklasse gegenüber den sozialen, politischen und intellektuellen Eliten geworden ist, ist aktueller denn je – auch im Rahmen des fantastischen Films gewinnt er an Bedeutung. In einer Welt, in der alle und alles als ausbeutbar gelten, und in der natürliche und wirtschaftliche Ressourcen immer ungleicher verteilt sind, besteht durch die wachsende Kluft zwischen den Gesellschaftsschichten der Wunsch, von solchen Ungleichgewichten zu erzählen, was allerlei Erzählformen und ästhetische Ansätze hervorgebracht hat.

Aufbauend auf die in den letzten beiden Jahren gezeigten Retrospektiven SCREAM QUEER und FEMALE TROUBLE dreht sich die Retrospektive EAT THE RICH um systemische Unterdrückung und Ungerechtigkeiten. Sie hinterfragt soziale und politische Einflüsse sowie die damit verbundenen Fantasien. Als Spiegel ihrer Zeit greifen Genrefilme seit jeher gesellschaftliche Themen auf – mit viel Freiraum bezüglich ihrer Tonalität, mit teils wörtlichen, teils metaphorischen Darstellungsformen.

So stellt etwa Luis Buñuel in einem Kammerspiel die Benimmregeln der Bourgeoisie auf die Probe und fragt danach, was übrigbleibt, wenn der soziale Lack erst einmal abgeblättert ist (EL ÁNGEL EXTERMINADOR, 1962). Näher an der Popkultur, aber mit einem ähnlichen Ansatz, ergötzt sich Brian Yuzna an den Schandtaten und Abartigkeiten, die sich unter dem Schein der materialistischen, wohlhabenden US-Gesellschaft verbergen (SOCIETY, 1989). Mamoru Oshiis Kult-Animationsfilm GHOST IN THE SHELL (1995) kritisiert Machtverhältnisse in einer Dystopie, in welcher Menschen und Cyborgs in einem totalitären Regime koexistieren. Und wenn die Reichen tatsächlich gefressen werden, dann von hungrigen Zombies (LAND OF THE DEAD, George A. Romero, 2005), eine Metapher für die sozial Ausgegrenzten, die durch die trostlosen Strassen der machtlos gewordenen USA streifen. SNOWPIERCER (Bong Joon-ho, 2013) findet für den kometenhaften sozialen Aufstieg ihrer Hauptfigur eine visuelle Entsprechung in einer unaufhaltbaren Zugfahrt. Jenna Cato Bass schliesslich erinnert uns an die politische Dimension des Intimen (GOOD MADAM, 2021) und daran, dass es von der häuslichen Gewalt zur ethnischen Ausbeutung nur ein kleiner Schritt ist.

EL ÁNGEL EXTERMINADOR
Luis Buñuel, MX, 1962
Eingeschlossen in einem Salon legen Standespersonen und Bedienstete ihre Masken ab in einem intensiven und subversiven psychologischen Thriller.
Trailer

SOCIETY
Brian Yuzna, US/JP, 1989
In den Villenvierteln von Beverly Hills blickt Bill in die Abgründe seiner Adoptivfamilie und taucht ein in einen Albtraum aus Orgien, Manipulationen und Verbrechen.
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Ghost in the Shell

GHOST IN THE SHELL
Mamoru Oshii, JP, 1995
In einer von der Tech-Elite beherrschten Zeit fordert eine Cyborgin auf der Suche nach ihrer Identität die Ordnung heraus. Eine Zukunft, in der Mensch und Maschine verschmelzen.
Trailer

Land Of The Dead

LAND OF THE DEAD
George A. Romero, US/CA/FR, 2005
Nach einer Zombie-Apokalypse bringt sich die Oberschicht in einem streng bewachten Viertel in Sicherheit – aber nicht für lange. Mit den Untoten im vierten Teil der Kult-Saga ist nicht gut Kirschen essen.
Trailer

Snowpiercer

SNOWPIERCER
Bong Joon-ho, KR/CZ, 2013
Nach einer Klimakatastrophe kämpfen die letzten Überlebenden an Bord eines unentwegt fahrenden Zuges gegen ein unerbittliches Klassensystem.
Trailer

Bild : © Collection Cinémathèque suisse. Alle Rechte vorbehalten

Good Madam

GOOD MADAM
Jenna Cato Bass, ZA, 2021
Tsidi und ihre Tochter beziehen in Kapstadt ein Haus, das Geheimnisse birgt. Schreckliche Enthüllungen entwerfen ein entlarvendes Porträt der südafrikanischen High Society.
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„LES VENDREDIS DE LA PEUR“ IN DER CINÉMATHÈQUE SUISSE

Anlässlich der neuen zweimonatlichen Veranstaltung VENDREDIS DE LA PEUR (FREITAG DER ANGST) veranstalten das NIFFF und die Cinémathèque suisse gemeinsam zwei Spezialvorführungen. THE EXORCIST (William Friedkin, 1973, Director’s Cut), der als Hommage an den im letzten Jahr verstorbenen William Friedkin gezeigt wird, läuft ersten Abend am 26. April.

Als Vorgeschmack auf das Programm EAT THE RICH zeigen wir am 31. Mai mit THE WICKER MAN (Robin Hardy, 1973) einen britischen Folk-Horror-Klassiker, der das Thema der Retrospektive anhand von heidnischen Ritualen mit grausamen Praktiken illustriert.

The Exorcist

THE EXORCIST
William Friedkin, US, 1973
Freitag, 26. April, 21:00
Ticketing

Bild : © Collection Cinémathèque suisse. Alle Rechte vorbehalten

THE WICKER MAN
Robin Hardy, UK, 1973
Freitag, 31. Mai, 21:00
Ticketing

Bild : © Collection Cinémathèque suisse. Alle Rechte vorbehalten