EINE NEUBETRACHTUNG DES GENREKINOS

Das Neuchâtel International Fantastic Film Festival (NIFFF) widmet seine aktuelle Retrospektive SCREAM QUEER der Darstellung von LGBTIQ+ Kulturen im fantastischen Film. Das exklusiv zusammengestellte Programm der diesjährigen Ausgabe des Festivals (1. – 9. Juli) umfasst rund 20 Filmtitel, welche fantasievolle und verträumte Repräsentationen von Homosexualität und Transidentität in cineastischen Vorstellungswelten ansiedeln. Vom «grossen bösen Queer» bis zum Loblied auf die Vielfalt – das NIFFF schöpft aus einem reichhaltigen Filmerbe und stellt unterschiedlichste Visionen der Vergangenheit und Gegenwart in einen neuen Zusammenhang, um sie vor dem Hintergrund eines zeitgenössischen Konzepts der fantastischen Queer-Kultur neu zu deuten. Als erster Ausnahmegast begleitet Oliver Sim, Sänger und Bassist der britischen Band The xx, eine exklusive Vorführung von HIDEOUS (Yann Gonzalez, 2022) und erhält zudem eine Carte Blanche. Die vollständige Retrospektive, die damit verbundenen Anlässe und Gäste werden am Donnerstag, 16. Juni an der Pressekonferenz bekanntgegeben.

DER FANTASTISCHE FILM: FLIESSEND UND WANDELND

Mit seinem Flair für Übergänge und Verwandlungen dokumentiert das fantastische Kino seit jeher die Sorgen und Ängste der Epochen unter bemerkenswert freien Vorzeichen. Mit SCREAM QUEER blickt das NIFFF auf die vielfältigen Darstellungen der LGBTIQ+-Gemeinschaften in den Entwicklungen des Genrefilms zurück. Die Queer-Kultur zieht sich in zahlreichen Formen durch die Filmgeschichte und spiegelt durch das Genrekino samt seinen Realitätsverzerrungen unsere Beziehung zum Anderssein. Die zwanzig ausgewählten Werke stellen viele Queer-Figuren in der Geschichte des fantastischen Films in neue Zusammenhänge und verweisen somit auf erweiternde, bereichernde Lesarten.

Die Retrospektive wurde gemeinsam kuratiert mit dem spanischen Journalisten Javier Parra (Autor von SCREAM QUEER : La representación LGTBIQ+ en el cine de terror im Verlag Dos Bigotes). Sie lädt ein zu einer Neuentdeckung cineastischer Ikonen der LGBTIQ+ Gemeinschaften, manchmal dazu geworden ohne die Absicht ihrer Schöpfer:innen, vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis heute. Vom allseits bekannten Norman Bates aus PSYCHO (Alfred Hitchcock, 1960) über die blutrünstige, sinnliche Gräfin Bathory in DAUGHTERS OF DARKNESS (Harry Kumel, 1971), das gefährlichen Liebespaar aus BOUND (Lilly & Lana Wachowski, 1996) und die zeitlose Transidentität in ORLANDO (Sally Potter, 1992) bis zum Wachwerden der wahren Natur von THELMA (Joachim Trier, 2017): Es bietet sich die Chance, nicht nur Klassiker aus einem anderen Blickwinkel zu entdecken, sondern auch die positive Entwicklung der Sicht auf das Thema zu verfolgen. Der Schwerpunkt bietet auch die Gelegenheit, gemeinsam in Partystimmung einige Werke zu geniessen, die das Genre bewusst umkrempeln, etwa die beiden Filme, die in der Slasher-Nacht «Dur à queer» gezeigt werden, darunter HELLBENT (Paul Etheredge, 2004).

Lilly & Lana Wachowski
Lilly & Lana Wachowski
US, 1996, 109'
Paul Etheredge
Paul Etheredge
US, 2004, 85'

BOUND (Lilly & Lana Wachowski, 1996): Sie war in Haft, jetzt plant sie mit ihrer Freundin den Mega-Coup – der Mafia Millionen stehlen und einen Gauner als Sündenbock vorschieben. Solider Erstling der MATRIX-Schwestern.

HELLBENT (Paul Etheredge, 2004): Halloween in Los Angeles – ein paar Freunde nutzen den Anlass, um auf Teufel komm raus heisse Jungs aufzureissen. Ungut daran: Zur potenziellen Beute zählt ein Killer.

Harry Kumel
Harry Kumel
BE/FR/DE/US/CA, 1971, 87'
Sally Potter
Sally Potter
UK, 1992, 94'

DAUGHTERS OF DARKNESS (Harry Kumel, 1971): In einem abgelegenen Hotel stösst ein Paar auf mysteriöse, blutdürstige Gräfin. Ein zeitloser Mythos, neu erzählt mit einer grossartigen, sinnlichen Delphine Seyrig.

ORLANDO (Sally Potter, 1992): Weder an Zeit, Raum oder Geschlecht gebunden gleitet Orlando elegant durch die Jahrhunderte. Mit der Virginia-Woolfe-Verfilmung begann Tilda Swintons einzigartige Filmkarriere.

Alfred Hitchcock
Alfred Hitchcock
US, 1960, 109'
Joachim Trier
Joachim Trier
NO/FR/DK, SW, 2017, 116'

PSYCHO (Alfred Hitchcock, 1960): Das Motel von Norman Bates öffnet nochmals seine Türen für eine Queer-Interpretation des berühmtesten Filmmörders aller Zeiten. Hitchcock auf dem Zenit.

THELMA (Joachim Trier, 2017): Eine tiefreligiöse junge Frau verlässt die norwegische Küste für ihr Studium in Oslo. Ihre Gefühle für eine Mitstudentin wecken in ihr ungeahnte, düstere Kräfte.

MONSTER KOMM RAUS: OLIVER SIM UND «HIDEOUS»

Neben den geladenen Filmschaffenden im Kontext von SCREAM QUEER, freut sich das NIFFF über die aussergewöhnliche Anwesenheit von Oliver Sim, dem Sänger von The xx. Anlässlich seines ersten Soloprojekts begleitet der britische Musiker die exklusive Vorführung von HIDEOUS, einem Musikfilm von Yann Gonzalez, der eine melodisch-monströse Welt in den Farben der Horrorfilme der 1980er Jahre entwirft. Oliver Sim betreut zudem eine Carte Blanche in Verbindung mit der Retrospektive.

Oliver Sim, dem Sänger von The xx
Oliver Sim, dem Sänger von The xx

SCREAM QUEER – SPEZIALABEND IM DER CINÉMATHÈQUE SUISSE
Dienstag, 31. Mai, Lausanne

Im Vorfeld der Lancierung der 21. Festivalausgabe organisiert das NIFFF am Dienstag, 31. Mai einen Spezialabend in Partnerschaft mit dem nationalen Filmarchiv Zwei Werke zeigen andersartige Blicke auf die Queer Culture: Die traumhafte Tragödie HEAVENLY CREATURES (Peter Jackson, 1994) sowie das romantisch-gotische Opus DER SAMURAI (Till Kleinert, 2014).

DER SAMURAI (Till Kleinert, 2014)
DER SAMURAI (Till Kleinert, 2014)

ZUSAMMENARBEIT MIT PINK APPLE
Mittwoch, 8. Juni, Zürich

Das NIFFF tut sich zudem mit dem Festival Pink Apple zusammen, dessen 25. Ausgabe zurzeit läuft. Am 8. Juni präsentiert Pink Apple eine Spezialvorführung von HELLRAISER im Rahmen von Uto Goes Pink! (Kino Arthouse Uto, Zürich), und während dem NIFFF übernimmt Pink Apple eine Carte Blanche.

HELLRAISER (Clive Barker, UK, 1987)
HELLRAISER (Clive Barker, UK, 1987)