Das Neuchâtel International Fantastic Film Festival (NIFFF) kündigt seine Retrospektive TAKE CARE! an – eine genaue Untersuchung der Fürsorge durch das Prisma des fantastischen Films. Präsentiert im Rahmen der 24. Ausgabe (4. – 12. Juli), bietet dieses Spezialprogramm eine geografische und historische Reise über ein Jahrhundert hinweg anhand von rund zwanzig Spielfilmen – Kultklassikern wie unbekannteren Werken.
DIE HÖLLE IST MIT GUTEN VORSÄTZEN GEPFLASTERT
“Pass auf dich auf! ” – Dieser wohlwollend gemeinte Satz klingt wie eine sanfte Aufforderung zum Unmöglichen. Hinter dieser scheinbaren Fürsorglichkeit verbirgt sich ein komplexes, oft hartes und forderndes System. Die Floskel ignoriert nur allzu häufig die Realität derjenigen, an die sie gerichtet ist, und hinterlässt ein Gefühl der Ohnmacht gegenüber dem, was man nicht (mehr) erreichen kann.
In Resonanz mit SCREAM QUEER (2022), FEMALE TROUBLE (2023) und EAT THE RICH (2024) beleuchtet die Retrospektive des NIFFF 2025 die Fürsorge, die zuweilen kurvenreiche Wege nimmt, insbesondere durch das Prisma des fantastischen Films. Die zwanzig Filme von TAKE CARE! zeichnen das Porträt einer von Angst und Misstrauen getriebenen Gesellschaft. Ihr Gesundheitssystem ist von tiefen Ungleichheiten durchzogen – sei es in der Intimität der Körper oder in öffentlichen Institutionen. Von der Selbstfürsorge bis zur Pflege anderer – Das NIFFF bietet eine historische und geografische Reise in das Herz eines Genres, das von verrückten Ärzten, körperlichen Mutationen, Pflegenden mit trüben Absichten und Krankenhäusern als Schauplätzen des Grauens heimgesucht wird.
In COMA (Michael Crichton, 1978) wird das Krankenhaus zum Schauplatz eines sinistren Handels – Spiegelbild der Ängste und Fantasien über die Allmacht des medizinischen Apparats. THE CURED (David Freyne, 2017) ist eine Neuinterpretation des Zombiefilms und thematisiert die schwierige gesellschaftliche Wiedereingliederung geheilter „Infizierter“ – eine eindrückliche Metapher für hochaktuelle gesellschaftspolitische Fragen. A PAGE OF MADNESS (Teinosuke Kinugasa, 1926) greift das Thema der psychischen Gesundheit auf – das Grauen schleicht sich über den langsamen Verfall einer geliebten Person ein. In CLUB ZERO (Jessica Hausner, 2023) wird Fasten zur gefährlichen Obsession. In DOGTOOTH (Yorgos Lanthimos, 2009) isolieren Eltern ihre drei Kinder radikal von der Außenwelt – ein extremes Schutzbedürfnis kippt in Misshandlung. Das “Care”, in all seinen Paradoxien und Abgründen, inspiriert auch zu einem spielerischen Umgang mit dem Genre: Sadismus trifft auf schwarzen Humor. So wird in MISERY (Rob Reiner, 1990) die fürsorgliche Pflege einer Krankenschwester für einen verunglückten Schriftsteller nach und nach zum grotesken Albtraum – eine brillante Satire über Wohlwollen, das in Dominanz umschlägt.
TAKE CARE! wird durch eine Podiumsdiskussion ergänzt, und das Vermittlungsprogramm des NIFFF wird diesen thematischen Schwerpunkt ebenfalls aufgreifen – mit Vorführungen und Beiträgen in obligatorischen und nachobligatorischen Bildungseinrichtungen.
DIE ERSTEN FILME VON TAKE CARE!
A PAGE OF MADNESS
Teinosuke Kinugasa, JP, 1926
In der Hoffnung, sich seiner in die psychiatrische Klinik eingewiesenen Frau zu nähern, nimmt ein ehemaliger Seefahrer eine Stelle als Hausmeister in jener Einrichtung an. Ein Schatz des japanischen Stummfilms in Schwarz-Weiß, der feinfühlig über die mentale Gesundheit von Frauen reflektiert.
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COMA
Michael Crichton, US, 1978
Nach einem Routineeingriff fällt eine Patientin in ein tiefes Koma. Ein spannungsgeladener Thriller des JURASSIC PARK-Autors, der das Misstrauen gegenüber der Ärzteschaft thematisiert. Mit Michael Douglas und Geneviève Bujold in den Hauptrollen.
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Rob Reiner, US, 1990
Eine Krankenschwester nimmt einen berühmten Romanautor nach einem Autounfall in ihrem abgelegenen Haus auf. Der brutale Psychothriller nach Stephen King brachte Hauptdarstellerin Kathy Bates einen wohlverdienten Oscar ein – ihre Pflegefigur ist zugleich erschreckend und verstörend.
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DOGTOOTH
Yorgos Lanthimos, GR, 2009
Ein Haus mit hohen Zäunen. Ohne jeden Kontakt zur Außenwelt leben drei Teenager nach dem aufgezwungenen Modell ihrer Eltern. Wenn Schutzbedürfnis in Missbrauch umschlägt…
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THE CURED
David Freyne, IE/FR, 2017
Nach einer verheerenden Pandemie, die Menschen in kannibalistische Zombies verwandelte, wird ein Heilmittel gefunden. Doch dessen Nebenwirkungen verunsichern, und das Misstrauen gegenüber den genesenen Patienten und ihrer Wiedereingliederung in die Gesellschaft droht die Welt erneut ins Chaos zu stürzen.
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CLUB ZERO
Jessica Hausner,
AT/GB/DE/FR/DK/TR/US/QA/BA, 2023
Willkommen an einer Privatschule, in der eine Ernährungspädagogin mit einem innovativen – und letztlich gefährlichen – Konzept die Essgewohnheiten ihrer Schülerinnen und Schüler verändert. Manipulation und ungesunde Verstrickungen stehen auf der Speisekarte dieser bissigen Satire.
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SAVE THE DATE – NIFFF 2025
Festivalpass zum Early Bird-Tarif: Donnerstag, 8. Mai
Vollständiges Programm & Ticketverkauf: Donnerstag, 19. Juni





